fdoell
Level: Moderator
Beiträge: 2442
Registriert seit: 10.01.2003
IP: Logged
|
Re: verlängerte Planungs- und Ausführungszeiträume
Die Frage nach der Honorierung einer Mehrleistung oder eines Mehraufwandes für den Auftragnehmer bei einer Bauzeitverlängerung hat in der Vergangenheit vielfach die verschiedensten Gerichte beschäftigt und letztendlich zu einigen wesentlichen Entscheidungen des BGH geführt, die nunmehr verbindliche Grundsätze darstellen.
Alte HOAI
Nach der Rechtsprechung ergeben sich folgende notwendige Voraussetzungen bei einem nach § 4 der alten HOAI ermittelten Honorar:
1) Die Bauzeit ist von den Vertragsparteien bereits bei Vertragsabschluss in die Preiskalkulation bzw. Honorarfindung einzubeziehen. Ist also bereits bei Auftragserteilung absehbar, dass die Bauzeit für ein Vorhaben das übliche Maß deutlich überschreiten wird, so ist bereits bei Auftragserteilung ein ggf. über den Höchstsatz hinaus gehendes Honorar für Lph. 8 zu vereinbaren. Die Parteien sind preisrechtlich gehindert, das bei Auftragserteilung zu vereinbarende Honorar offen zu lassen.
2) Eine unvorhersehbare Bauverzögerung kann bei einer Honorarvereinbarung dagegen nicht berücksichtigt werden, weil die HOAI dafür keinen Regelungstatbestand vorsieht. Eine nicht absehbare Verlängerung der Bauzeit kann deshalb zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage führen und einen Preisanpassungsanspruch auslösen. Den Vertragsparteien kann nicht zugemutet werden, insoweit eine spekulative Vergütung zu vereinbaren. Vielmehr stellt es eine interessengerechte Lösung dar, eine bestimmte Bauzeit als Geschäftsgrundlage festzulegen und bei deren Wegfall einen vertraglichen Preisanpassungsanspruch zu begründen. Bei der Beurteilung der Frage, welche Bauzeit bei Vertragsabschluss zu erwarten ist, wird ähnlich wie bei der Festlegung einer bestimmten Honorarzone ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt. Selbstverständlich darf eine solche Regelung nicht zu einer Umgehung der preisrechtlichen Bestimmungen der HOAI führen. Die zu Grunde gelegte Bauzeit muss also realistisch bemessen sein.
3) Ist eine das übliche Maß übersteigende Bauzeit bei Vertragsabschluss nicht konkret absehbar, können die Vertragsparteien sowohl die vermutliche Bauzeit als auch Vergütungsfolgen im Fall von Verlängerungen festlegen. Diese Regelungen können konkret und bestimmt (z.B. Euro/Monat) oder lediglich bestimmbar (z.B. Nachweis des Mehraufwands) sein.
4) Eine Klausel, wonach die nachgewiesenen Mehraufwendungen dem Auftragnehmer bei Bauzeitverzögerungen zu erstatten sind, ist wirksam, sofern die üblicherweise einzukalkulierenden Bauzeitverzögerungen berücksichtigt worden sind und die Gründe, die zur Bauzeitverzögerung führten, nicht vorhergesehen werden konnten. In diesem Fall liegt auch keine unzulässige Überschreitung der Höchstsätze vor.
5) Als üblicherweise einzukalkulierende Bauzeitverzögerungen sind Winterwetter oder – nach Ansicht des OLG Dresden - Konkurs von Unternehmen anzusehen, während der BGH weder einen Konkurs der Rechtsvorgängerin der Bauherrin noch einen Baustopp als vorhersehbar einstuft.
6) Zwingende Voraussetzung für einen Anspruch aus Überschreitung einer Regelbauzeit ist, dass eine Regelbauzeit auch tatsächlich verbindlich vereinbart worden ist. Allgemeine Bauzeitenpläne oder die Vereinbarung eines Bauzeitendes erfüllen diese Anforderungen nicht.
7) Auch allein die zeitliche Verschiebung von Überwachungsmaßnahmen begründet keinen Mehrvergütungsanspruch.
8 ) Sieht ein Vertrag eine Klausel vor, dass die Parteien eine zusätzliche Vergütung für die Mehraufwendungen des Planers wegen einer von ihm nicht zu vertretenden Bauzeitverzögerung zu vereinbaren haben, kann der Planer einen nach den Mehraufwendungen berechneten Zahlungsanspruch gerichtlich geltend machen, wenn die Einigung nicht zustande kommt. Der Anspruch ergibt sich unmittelbar aus der Klausel. Sie begründet nicht nur eine Pflicht des Auftraggebers zu verhandeln, sondern darüber hinaus auch die Pflicht, in die zutreffend nach der Klausel berechnete Vergütung einzuwilligen. Der Anspruch auf Einwilligung wird im Rechtsstreit zum Anspruch auf Zahlung.
9) Wird in einem Planungsvertrag eine Honoraranpassungsklausel für den Fall einer Bauzeitverlängerung einvernehmlich gestrichen, übernimmt der Auftragnehmer damit das Risiko einer Bauzeitverlängerung, da nach der HOAI-Systematik die Vergütung zeitunabhängig ist. Der notwendige Mitarbeitereinsatz und ein daraus ggf. folgendes Honorardefizit wird bei einem HOAI-Vertrag keine Geschäftsgrundlage.
10) Findet sich in einem Planungsvertrag (oder einer nachträglichen Vereinbarung) keine Regelung, die eine Bauzeitüberschreitung zum Inhalt hat, ist für eine Honorierung des Mehraufwandes keine Rechtsgrundlage vorhanden, denn nach § 4 ist eine schriftliche Vereinbarung der Vertragsparteien bei Auftragserteilung zwingend erforderlich.
11) Die preisrechtliche Zulässigkeit einer Vereinbarung, bei Überschreiten einer Regelbauzeit sei über eine Erhöhung des Honorars zu verhandeln, ergibt sich nicht aus § 4a Satz 3 HOAI. Diese Vorschrift ist nur anwendbar, wenn die Parteien einer Honorarvereinbarung nach § 4a Satz 1 geschlossen haben.
Honorarbestimmung bei Bauzeitverlängerung
Im Lauf der Jahre der HOAI-Anwendung hatten verschiedene Gerichte mehrere Modelle als anzuwendende Vorschrift zur Vergütung des Mehraufwandes bei verlängerter Bauzeit benannt, u.a.
• Differenz der tatsächlichen Aufwendungen zum Vertragshonorar Das bedeutet u.a., dass sich der Planer beim Nachweis seines Mehraufwandes seinen vertraglichen Gewinn anrechnen lassen muss.
• Differenz der tatsächlichen Aufwendungen zu den kalkulierten Aufwendungen (sog. Differenzhypothese)
Demgegenüber hat der BGH 2007 in einer richtungweisenden Entscheidung festgelegt:
12) Enthält der Vertrag die Regelung, dass der Architekt für nachweisbare Mehraufwendungen eine zusätzliche Vergütung erhalten soll, setzt der Anspruch nicht voraus, dass die Aufwendungen das Gesamthonorar übersteigen.
13) Der Architekt kann eine Vergütung für sämtliche Aufwendungen verlangen, die er ohne die Bauzeitverzögerung nicht gehabt hätte; infolge der Bauzeitverzögerung ersparte Aufwendungen sind dabei in Abzug zu bringen. Dass der Auftragnehmer durch die Verzögerung möglicherweise ineffizient arbeitet, verringert seinen Aufwand nicht.
14) Erhöhte Anforderungen an die Darlegung der Aufwendungen bestehen nur, wenn der Auftraggeber zu diesen schon detailliert vorgetragen hat.
Zu den Entscheidungen wird ausgeführt:
Der Planer kann eine Zusatzvergütung für die Aufwendungen verlangen, die ihm nachweisbar nur aufgrund der Bauzeitverzögerung entstanden sind. Eine Beschränkung auf Aufwendungen, die das Vertragshonorar übersteigen, lässt sich weder dem Wortlaut der Klausel noch dem Zusammenhang, in dem sie steht, entnehmen. Im Gegenteil ergibt sich im entschiedenen Fall daraus, dass eine Überschreitung der vertraglich festgelegten Ausführungszeit bis zu 20% durch das Vertragshonorar abgegolten sein soll, im Umkehrschluss, dass das Honorar keine zusätzliche Begrenzung für die Berechnung der Mehraufwendungen in dem darüber hinausgehenden Zeitraum darstellt. Eine Einschränkung ergibt sich auch nicht aus dem Gebührenrecht, da die Klausel - als normierter Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage - das Preisrecht der HOAI nicht berührt.
Schließlich sind grundsätzlich auch keine besonderen Anforderungen an die Darlegung des Mehraufwandes stellen. Ohne ein qualifiziertes Bestreiten des Auftraggebers genügt es, wenn der Architekt zum Umfang der infolge der Bauzeitverzögerung erforderlichen Leistungen (Personal- und Sacheinsatz) und den dadurch entstandenen Kosten sowie gegebenenfalls - etwa bei nennenswerten Stillstandszeiten - zu ersparten Aufwendungen vorträgt.
In Konsequenz ist also - vorausgesetzt, eine Regelbauzeit und eine darüber hinaus gehende Kulanzzeit für übliche Verlängerungen war vereinbart - nur der aufgrund der Bauzeitverzögerung zusätzlich entstandene Einsatz und die damit verbundenen Kosten dazulegen und die ggf. ersparten Aufwendungen für anderweitig möglichen Personaleinsatz abzuziehen.
Es handelt sich also um ein gegenüber den vorinstanzlichen Gesamtbetrachtungen der Aufwendungen der Lph. 8 mit und ohne Bauzeitverzögerung stark vereinfachtes Verfahren.
Konsequenz:
Ist in der Bauzeitverlängerung ein Vollzeiteinsatz von Bauüberwachungspersonal erforderlich, sieht es der BGH als zulässig an, die vollen Einsatzzeiten nach Ablauf der regulären Bauzeit und der vertraglich vereinbarten, mit dem Honorar abgegoltenen Verlängerung als Mehraufwand anzusetzen. Nur bei Baustillständen, die es ermöglichen, das Bauüberwachungspersonal abzuziehen und an anderen Baustellen einzusetzen, ist der entsprechende Minderaufwand zu berücksichtigen.
Erfordert der Bauüberwachungsaufwand bei kleineren Baustellen keinen Vollzeiteinsatz von Bauüberwachungspersonal, ist es dringend zu empfehlen, die durchgeführten Tätigkeiten nach konkreter Art und Dauer im einzelnen aufzuzeichnen, um dem vorgegebenen Grundsatz Genüge tun zu können, den tatsächlichen Mehreinsatz nachzuweisen.
Bei der Berechnung des Mehraufwands ist keinesfalls nur von ggf. für Zeithonorarleistungen vereinbarten Stundensätzen auszugehen. Vielmehr sind tatsächliche interne Verrechnungssätze unter Berücksichtigung von Arbeitgeberkosten, Bürokosten und anteiligem Allgemeinaufwand zu verwenden.
Neue HOAI:
Vergleicht man die nunmehr nach der HOAI 2009 gültige Regelung der Fixierung anrechenbarer Kosten auf Basis der Kostenberechnung mit dem nach der alten HOAI noch als Sonderfall zu vereinbarenden § 4a Satz 1, so sieht man, dass der sich bei der alten HOAI aus § 4a Satz 3 ergebende Anspruch auf Mehrhonorar bei Bauzeitverlängerung in der HOAI 2009 nicht mehr wortwörtlich findet, die Vergütung von anderen Mehrleistungen bei auftraggeberseitig veranlassten Planungsänderungen jedoch in § 7 weiter gefasst wurde als zuvor.
Auch nach der HOAI 2009 sollten also im Zusammenhang mit der Honorarvereinbarung zu Lph. 8 bei Vertragsanschluss erkennbare, über den Regelfall deutlich hinausgehende Bauzeiten von vornherein zu auskömmlich kalkuliertem Honorar auch über die Höchstsätze hinaus führen, nun unter Berufung auf § 7 Abs. 4 HOAI 2009 in Verbindung mit den vom BGH entwickelten Grundsätzen (s.o.).
Ferner sollten für unvorhersehbare Bauzeitverlängerungen (die auch in Verbindung mit einer bei Auftragserteilung bereits bekannten längeren als der üblichen Bauzeit und entsprechendem Honorar auftreten können) die mit dem Honorar abgegoltenen Bauzeiten und eine darüber hinaus gehende Bauzeit, die mit dem Honorar abgegolten ist, realistisch und fest definiert werden sowie eine Regelung vereinbart werden, wie bei einer darüber hinausgehenden Bauzeit, die nicht vom Auftragnehmer verursacht wurde, der Mehraufwand zu vergüten ist.
Dasselbe gilt bei der Vereinbarung des Baukostenmodells nach § 6 Abs. 2 HOAI 2009: auch hier sollten die vorgenannten beiden Regelungen analog übernommen werden.
Für Ingenieurbauwerke und Verkehrsanlagen ist das Honorar für die örtliche Bauüberwachung ohnehin als Besondere Leistung frei vereinbar; auch hier kann jedoch eine gleichartige Regelung für die Bauoberleitung in Lph. 8 sinnvoll und zu empfehlen sein.
Geht die Bauzeitverlängerung mit einer Veränderung anrechenbarer Kosten einher, indem beispielsweise Bauleistungen entfallen und andere hinzukommen, kann möglicherweise auch § 7 Abs. 5 HOAI 2009 (Änderungen mit geänderten anrechenbaren Kosten auf Veranlassung des Auftraggebers) einen Ansatzpunkt für die Vergütung des damit verbundenen Mehraufwandes beim Auftragnehmer bieten.
____________________________
Herzliche Grüße
Friedhelm Doell
Beratender Ingenieur
HOAI-Sachverständiger
www.doellconsult.de
|