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maedred
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Planung/Überwachung Schadstoffbeseitigung als Grundleistung Architekt?
Hallo liebes Forum,
unser (öffentl.) Bauherr hat auf unseren Rat hin (Beratungspflicht in Lph. 2) einen Schadstoffgutachter beauftragt. Die Planung, Ausschreibung und Überwachung der Beseitigung der im Gutachten aufgezeigten Schadstoffe (z.B. Planung u. Überwachung eines S/W-Bereichs) verlangt er aber nun von uns als Grundleistung und weigert sich, hierfür ebenfalls einen Fachingenieur zu beauftragen, obwohl diese Maßnahmen eindeutig über unseren Kenntnisstand hinausgehen. Wir müssten nach Auffassung des AG (für mehr Geld als wir für die ganze Lph. 2-3 bekommen) ein Fachbüro als Subunternehmer einschalten.
Worauf stützt sich eigentlich die Auffassung, Planung und Durchführung der Schadstoffbeseitigung sei Grundleistung des Architekten? Ich kann dies aus dem Grundleistungskatalog beim besten Willen nicht herauslesen. Auch in HOAI-Kommentaren finde ich nichts. Gibt es hierzu einschlägige Rechtsprechung?
Für jeden Hinweis wäre ich sehr dankbar.
MfG
Andreas Zehrt
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06.05.2015 at 16:33 Uhr |
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fdoell
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Beiträge: 2442
Registriert seit: 10.01.2003
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Re: Planung/Überwachung Schadstoffbeseitigung als Grundleistung Architekt?
quote: maedred wrote:
Worauf stützt sich eigentlich die Auffassung, Planung und Durchführung der Schadstoffbeseitigung sei Grundleistung des Architekten?
Hallo Herr Zehrt,
Ihre vertraglichen Pflichten richten sich, wie es der Name schon sagt, nach Ihrem Planungsvertrag. Was sagt der denn zu dem Rückbau des schadstoffbelasteten Gebäudes? Oder handelt es sich um einen Umbau / eine Modernisierung im Bestand?
Belastete Böden und Auffüllungen
Bezüglich kontaminierten Böden und Auffüllungen/Altlasten kannte schon die HOAI 1996/2002 die Regel, dass das Honorar für die erforderlichen Ingenieurleistungen frei vereinbar ist (§ 52 Abs. 9). In der amtlichen Begründung zur HOAI 2009 wurde ausgeführt, dass dies nicht mehr explizit in der neuen HOAI-Fassung stünde, aber genauso weiter gelte.
Belastete Bauteile
Bleiben Gebäuderückbauten mit schadstoffbelasteten Bauteilen und schadstofftechnische Sanierungen als denkbarer Teil von HOAI-Grundleistungen. Neben der Auffassung, dass die honorartechnische Vorgehensweise bei Gebäudeschadstoffen analog wie bei belasteten Böden und Auffüllungen zu wählen sei (d.h. freie Vereinbarkeit des diesbezüglichen Honorars), gibt es auch die Auffassung, dass zwar das Honorar zwar bei isolierten Rückbauplanungen frei vereinbar sei (siehe unten), bei Maßnahmen im Zuge von Rückbauten bei nachfolgenden Neubauten jedoch über die Kostengruppe 210 Herrichten nach DIN 276 zu den anrechenbaren Kosten gezählt würde (so beispielsweise das AHO-Heft 18). Bei Schadstofftechnischen Sanierungen im Bestand muss man die Zuordnung zu Kostengruppen von der Einstufung als HOAI-Grundleistung trennen (siehe unten).
Isolierte Rückbauplanung
Rückbauplanungen von Gebäuden ohne dazugehörige Gebäudeneubauplanung sind von keiner HOAI-Fassung erfasst. § 34 Abs. 1 definiert, wofür in der HOAI bei Gebäudeplanungen ein Honorar definiert ist. Rückbauten gehören nicht dazu. Das AHO-Heft 18 Planungsbereich „Baufeldfreimachung / Rückbau“ bezieht sich mit seinen Honorierungsvorschlägen ausdrücklich nur auf diesen Fall der isolierten Baufeldfreimachung, ist jedoch hierfür nicht die einzige honorartechnisch mögliche Vorgehensweise für solche Projekte.
Rückbauplanung als Teil der Neubauplanung
Nur bei einem Auftrag über eine Gebäudeplanung mit vorherigem Rückbau der Gebäude im Baubereich, den man nach DIN 276 als Teil der Kostengruppe 210 Herrichten ansehen könnte, kann man in Auslegung des § 33 Abs. 3 annehmen, dass wenn das Herrichten geplant oder überwacht wird, es zu den anrechenbaren Kosten gehört und daher (bei entsprechendem Einbezug der kompletten Sanierungs-, Rückbau- und Entsorgungskosten in die anrechenbaren Kosten) diese Leistungen zu den Grundleistungen nach HOAI gehören.
Dazu wäre also in Ihrem Fall zu klären, ob das Herrichten vor Gebäudeneubau (so das denn Ihr auftragt ist) zu Ihren Planungsaufgaben gehört, siehe oben.
Dann wäre zu beachten, dass die KG 210 zwar in der KG 212 die Kosten für das Abbrechen und Beseitigen von vorhandenen Bauwerken beinhaltet, jedoch ist dort nicht explizit von vorherigen Schadstoffsanierungen die Rede. In KG 213 wird unter der Überschrift "Altlastenbeseitigung" die Beseitigung von Kampfmitteln, Sondermüll, Behandlung und Entsorgung belasteter und kontaminierter Böden erwähnt. Diese offensichtlich auf Bodenschadstoffe ausgerichteten Leistungen sind evtl. bei Gebäudeschadstoffen nicht ansetzbar. KG 219 beinhaltet dann noch das Entrümpeln und die Müllbeseitigung. Schadstoffsanierungen sind das alles nicht explizit, aber man kann sich sicherlich Kostengruppen ausdenken, denen man solche Kosten zuordnet. Das AHO-Heft 18 macht das z.B., indem es Ausbau und Entsorgung von solchen Schadstoffen der KG 212 zuordnet. Letztendlich definiert jedoch nicht die DIN 276, was Grundleistung der HOAI ist, sondern die HOAI selbst und ihre Auslegung in der Rechtsprechung. Trotzdem kann man die Kosten einer Schadstoffsanierung vor Rückbauten sicherlich auf die eine oder andere Weise dem Herrichten zuordnen.
Sanierungen im Bestand
Bei Sanierungen im Bestand gehören die Kosten für Abbruch- und Demontagemaßnahmen, Instandsetzungen und Entsorgung der Materialien bei der Baukonstruktion zur KG 394 bis 396 (mit der Konsequenz der vollen Anrechenbarkeit nach § 33 Abs. 1), bei der Technischen Ausrüstung sind sie den KGen 494 bis 496 zugeordnet, für die kein Fachplanungshonorar in der HOAI verordnet ist (d.h. diese Leistungen sind frei honorierbar).
Sieht man solche Sanierungsmaßnahmen als eine gemeinsame schadstofftechnische Baustelle an, lässt sich trefflich streiten, ob. z.B. die Einrichtung von Schwarz-Weiß-Bereichen zur Gebäudekonstruktion gehört (und damit deren Kosten nach HOAI anrechenbar sind) oder zur Technischen Ausrüstung (und damit frei vereinbar), wenn der S/W-Bereich der Sanierung von beidem dient.
Kostengruppenzuordnung ist nicht allein relevant
Eine Kostengruppenzuordnung nach DIN 276 sagt jedoch noch nichts darüber aus, ob Leistungen zur Planung und Bauüberwachung für diese Maßnahmen HOAI-Grundleistungen darstellen oder nicht, siehe Beispiele oben.
Das gilt auch, wenn die schadstofftechnischen Maßnahmen zur Baukonstruktion zählen, wenn sie dort anfallen. Denn § 3 Abs. 2 HOAI regelt, dass die Grundleistungen diejenigen Leistungen sind, die "zur ordnungsgemäßen Abwicklung eines Auftrags im Allgemeinen erforderlich sind." Es stellt sich also die Frage, ob der Umgang mit Schadstoffen in Gebäuden eine Leistung darstellt, die bei den "eigentlichen" Planungsleistungen nach § 34 Abs. 1 im Allgemeinen erforderlich sind.
Schauen wir doch einmal etwas tiefer, welche Leistungen hier überhaupt erforderlich sind:
Planungsleistungen zur Sanierung
Nach den einschlägigen Regelwerken und Gesetzen hat ein Bauherr beim Umgang mit bestehender Bausubstanz eine Ermittlungspflicht. Vor Beginn von Planungsleistungen wurde dies in Ihrem Fall HOAI-konform als Besondere Leistung in Lph. 1, nämlich als technische Substanzerkundung durchgeführt (das AHO-Heft nennt es Teil der Bedarfsplanung zur wirtschaftlichen Risikoabschätzung; gleich ist beiden Varianten, das die Erkundung keine Grundleistung nach HOAI ist). Dabei ist jedoch zu beachten, dass durchschnittlich nur 60-70% der Gebäudeschadstoffe vorab erkundet werden, bei sehr engem Untersuchungsraster und sehr erfahrenen Spezialisten maximal ca. 90%.
Dann folgen Planungsleistungen, die sicherlich eine Menge Erfahrung (Fachkunde) und Fortbildung mit Zertifikaten (Sachkunde) eines Gebäudeplaners erfordern oder alternativ die Herbeiziehung eines büroexternen Spezialisten, dessen Leistungen aber möglicherweise noch als Grundleistung bewertet werden könnten (d.h. der Planer müsste diesen Spezialisten von seinem Gesamthonorar bezahlen).
Nun geht es aber bei öffentlichen Auftraggebern an die Ausschreibung nach VOB. Die VOB fordert eine eindeutige Leistungsbeschreibung, die jeder Bieter ohne Rückfrage gleich versteht und kalkulieren kann. Hier wird nun deutlich, dass der Umgang mit den 10-40% unbekannten Schadstoffen im Gebäude (trotz Schadstoffgutachten!) und den daraus möglicherweise folgenden Konsequenzen, die die öffentliche Hand bei ihren Vergabeverfahren möglichst risikoarm gestalten möchte (unter Beachtung der VOB), doch schon deutlich die Grenzen des im Allgemeinen für einen Neubau oder rein konstruktiven bzw. gestalterischen Umbau Erforderlichen überschreitet.
Ganz eindeutig dürfte dies aber bei der Überwachung der Bauausführung sein. Während ein privater Bauherr möglicherweise einem Unternehmer bei einem Pauschalauftrag ohne eigene (oder fremdvergebene) Bauüberwachungsleistung alle Risiken aus der Einhaltung von Gesetzen und Verordnungen usw. per Pauschalvertrag übertragen kann (obwohl auch er gesetzlich eine weitere Erkundungspflicht während der Bauausführung hat), sind öffentlichen Auftraggebern hierbei doch vergaberechtlich deutlich die Hände gebunden.
In der Regel müssen die Rückbau- oder Sanierungsarbeiten nach den Vergaberichtlinien überwacht werden und dazu kommt das Schadstoffrisiko, das ja durch das voruntersuchende Schadstoffgutachten nicht komplett ausgeräumt wurde. Der Bauherr hat also auch bei der Schadstoffsanierung, Materialtrennung (beim Rückbau vor dem Abbruch der dann unbelasteten Bausubstanz) usw. eine immer noch andauernde Ermittlungspflicht. Die technische Erkundung als Besondere Leistung zieht sich somit bis in Lph. 8 hinein!
Erforderliche Sach- und Fachkunde
Dazu kommt, dass zur Überwachung nun allerlei Sachkundenachweise erforderlich sind, vom Nachweis der Befähigung zum Arbeiten in kontaminierten Bereichen nach BGR 128 über diverse Technische Gefahrstoffregeln (z.B. TRGS 519 für Asbest oder TRGS 520 für KMF), die Kenntnis der Deponieverordnung, der Gefahrstoffverordnung (ab 1.6.15 in neuer Fassung), des Chemikaliengesetzes und der neueren REACH-Verordnung sowie der GHS-Verordnung usw.
(Hinweis: Da auch bei Vorliegen der TRGS-Scheine in vielen Fällen aus Sicht der Fachbehörden (Gewerbeaufsicht usw.) keine hinreichende schadstoffrelevante Baustellenabwicklung durchgeführt wurde, werden derzeit die Vorschriften alle überarbeitet und verschärft. Als erster Schritt gelten die TRGS-Nachweise nicht mehr unbegrenzt, sondern nur noch zeitlich begrenzt mit der Pflicht zur Auffrischungsschulung. Weitere Schritte sind in den nächsten Monaten und Jahren zu erwarten, wie mir ein Fach- und Sachkundiger zuverlässig berichtete.)
Das sind nun relativ klar Sachkundekenntnisse, die zur Überwachung der Sanierungsarbeiten zwingend erforderlich sind, aber nicht mehr zu den im Allgemeinen für einen Gebäudeneubau oder -umbau erforderlichen Leistungen gehören. Zur Sachkunde kommt noch die erforderliche Fachkunde, also die notwendige Erfahrung, um solche Sanierungsmaßnahmen wirksam begleiten und überwachen zu können. Als öffentlicher Auftraggeber muss man die praktisch zwingend von einem Schadstoffsanierungsplaner vor Beauftragung nachweisen lassen.
Abgesehen davon ist auch zu beachten, dass natürlich alle Probenahmen und Analytikleistungen (Deklarations- und Beweissicherungsanalytik), Schadstoffmessungen und deren fachkundige Interpretation und Schlussfolgerungen sicherlich nicht mehr zu den "im Allgemeinen erforderlichen" Grundleistungen der Gebäudeplanung in Lph. 8 gehören, sondern in jedem Fall Besondere Leistungen darstellen.
Fazit
Wer behauptet, dies alles gehöre nun zu den Grundleistungen, die ein Gebäudeplaner schulde, müsste also einen seeeehr weiten Schlussfolgerungsbogen ziehen, den auch ein Gericht nachvollziehen können sollte.
Unabhängig davon ist es natürlich - wenn man gerne einen Planer in der Gesamtverantwortung für Rückbau und Neubau haben möchte - neben den Besonderen Leistungen der Probenahme, Analytik und Schadstoffmessung eine wirtschaftliche Kalkulationsfrage, ob man die Honorierung der gesamten Schadstoffthemen über einen Einbezug von anrechenbaren Kosten oder anderweitig vergüten möchte. Dabei wäre zu beachten, dass Rückbauten und Sanierungen im Bestand
- zu anderen Honorarzonen als der reine Neubau oder Umbau führen können, und zwar abhängig von der Komplexität der Schadstoffmixe, dem Alter des Gebäudes und der bereits erfolgten (oft unzureichenden) Sanierungsmaßnahmen
- als Bauen im Bestand mit wesentlichem Eingriff einzustufen wäre (auch bei Rückbauten vor dem eigentlichen Abbruch der letztendlich dann unbelasteten Bausubstanz) mit der Konsequenz, dass für den Rückbau ein angemessener Umbau- bzw. Modernisierungszuschlag zu vereinbaren und selbstverständlich für die Schadstoffsanierung eine (beim Rückbau zum Sanierungszeitpunkt noch) vorhandene, technisch mitverarbeitete Bausubstanz honorartechnisch zu berücksichtigen wäre
- andere Leistungen als die Grundleistungen für eine Bauplanung erfordern können, was zur schwierigen Aufgabe einer angemessenen Bewertung der Teilleistungen bei Vertragsabschluss führt
- und bei allem noch Besondere Leistungen der Probenahme, Analytik und Schadstoffmessungen bleiben.
Konsequenz
In den meisten Fällen dürfe ein Auftraggeber deutlich besser beraten sein, Rückbauplanungen an entsprechend erfahrene qualifizierte Fachbüros als separate Leistungen zu vergeben. Dann weiß man zum einen, dass es auch richtig gemacht wird und macht zum anderen den Kopf des Planers für den Neubau bzw. konstruktiv-gestalterischen Umbau frei. Das auch gilt für Sanierungsmaßnahmen, wenn sie parallel zu den architektonischen Umbauten vonstattengehen und eine enge Abstimmung zwischen Gebäudeplaner und Sanierungsfachmann erfordern. So nutzt man aber idealerweise „das Beste aus zwei Welten“.
Die Trennung in der Beauftragung von Gebäudeplanung einerseits und Rückbau-/Sanierungsplanung andererseits dürfte bei öffentlichen Auftraggebern auch zu politisch besseren Lösungen führen - man stelle sich nur einmal vor, etwas geht schief und der Auftraggeber wird dann gefragt, wieso...
Anmerkung: Als der honorartechnische Einbezug des Herrichtens in die Gebäudeplanung Eingang in die HOAI fand, sahen Rückbauten noch deutlich anders aus. Die Zeiten solchermaßen erzeugter Baumischabfälle und entsprechender Belastungen für die Arbeiter, die Menschen in der Umgebung der Baustelle und die Umwelt bei erfolgter Mischabfalldeponierung sind jedoch aus heutiger umweltpolitischer Sicht nicht mehr akzeptabel. Die HOAI hinkt in diesem Beriech – wie so manches andere auch – der Planungs- und Baurealität deutlich hinterher.
[Edited by fdoell on 08.05.2015 at 10:20 Uhr]
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Herzliche Grüße
Friedhelm Doell
Beratender Ingenieur
HOAI-Sachverständiger
www.doellconsult.de
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08.05.2015 at 00:29 Uhr |
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