eheinemann
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Re: Tektur unvollständig - Honorar fällig?
Hallo,
Sie haben einen Architekten beauftragt die Planung für ein Gebäude bis zur Genehmigungsplanung (Leistungsphasen 1-4) zu erstellen. Wie ich es verstanden habe, wurde diese erste Planung auch vollständig erbracht und die Genehmigungsplanung beim Bauamt eingereicht. Noch bevor eine Genehmigung erteilt wurde, haben Sie aus persönlichen Gründen eine Änderung an der Planung beauftragt, die eine erneute Genehmigungsplanung (Tektur) erforderlich machte. Damit das Bauvorhaben genehmigungsfähig ist, fehlen noch weitere Unterlagen seitens des Architekten.
Der Architekt schuldet im Allgemeinen und bei einer Beauftragung der Leistungsphasen 1-4 eine genehmigungsfähige Planung. D.h. die Unterlagen Lageplan und Baubeschreibung, die zu einer Genehmigung des Bauvorhabens noch erforderlich sind, schuldet der Architekt. Er muss sie also noch liefern.
Die Vergütung der beauftragten Leistung richtet sich nach der HOAI (Honorarordnung für Architekten- und Ingenieurleistungen). Haben Sie eine schriftliche Honorarvereinbarung getroffen, so richtet sich das Honorar nach dieser, sofern nicht die Mindestsätze der HOAI unterschritten oder die Höchstsätze der HOAI überschritten werden. Haben Sie keine Vereinbarung mit dem Architekten getroffen, so sind die Planungsleistungen mit dem Mindestsatz zu vergüten.
Nun wurde die 1. Planung, wie Sie sagten, vollständig erbracht, weshalb sie auch vollständig zu vergüten ist. Für die Änderungsplanung (Tektur) erfolgt ein gesondertes „Änderungshonorar“ nach § 10 HOAI. Sind für die Änderungen Wiederholungen vorangegangener Grundleistungen erforderlich, so sind diese Wiederholungsleistungen anteilig zu vergüten. Entsprechend ist die Leistungsphase 3 teilweise wiederholt worden, vielleicht auch die Leistungsphase 2. Die Leistungsphase 4 Genehmigungsplanung ist vollständig erbracht, wenn für die Genehmigung alle Unterlagen beim Bauamt eingereicht sind, bzw. die Planung genehmigungsfähig ist.
Das Honorar für die 1. Planung richtet sich nach den anrechenbaren Kosten der Kostenberechnung und nach der Honorarzone - jeweils bezogen auf den Stand der 1. Planung. Das Honorar für die 2. Planung (Tektur) richtet sich ebenfalls nach den anrechenbaren Kosten der Kostenberechnung für die neue Planung und deren dazugehörige Honorarzone. Da aber für die 2. Planung höchstwahrscheinlich nicht eine komplette neue Planung erforderlich war (Sie schreiben, dass sich der Grundriss um 1 m verkleinert hat), kann auch nur der geänderte Anteil berechnet werden. Ohne die Planung genau zu kennen, ist es schwierig den Änderungsaufwand zu definieren. Ein Gebäude um 1 m zu verkleinern bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Architekt nur diesen Meter bearbeitet hat. Viel mehr sind bei einer Verkleinerung die angrenzenden Räume und deren Auswirkungen auf den Gesamtgrundriss zu überarbeiten.
Hier ein mögliches Beispiel:
Ist ein Änderungsanteil von 25 % ermittelt worden und wurden sowohl die Vorplanung als auch die Entwurfsplanung wiederholt, so ist zunächst das vollständige Honorar für die Planungsleistungen dieser Leistungsphasen zu ermitteln und entsprechend des Anteils zu reduzieren (x 0,25). Die Leistungsphase 4 Genehmigungsplanung wird zu 100 % nochmals zu vergüten sein, denn die eigentliche Planung (geänderte Planung) erfolgt in der Leistungsphase 3. In der Leistungsphase 4 erfolgt nur eine Aufbereitung der Entwurfsplanung hinsichtlich der genehmigungsrechtlichen Erfordernisse, dass Ausfertigen von Anträgen, Berechnungen usw. - also keine eigentliche Planung mehr. Im Gegensatz zu den anderen Leistungsphasen, muss bei einer erforderlichen Tektur fast immer die ganze Leistungsphase wiederholt werden.
Sie schreiben, dass der Tekturrechnung keine „Kostenaufstellung“ beiliegt. Zur Berechnung des Honorars für die Tektur wird genauso eine Kostenberechnung benötigt, wie für die 1. Planung. Der Architekt muss diese also noch nachliefern. Die Aufstellung der Kostenberechnung ist Teil der Leistungsphase 3 und ist für die Ermittlung der anrechenbaren Kosten erforderlich. Ohne vorliegende Kostenberechnung ist die Rechnung nicht prüffähig.
Ich empfehle Ihnen mit ihrem Architekten zu ins Gespräch zu kommen: Bitten Sie ihn die erforderlichen Unterlagen für das Bauamt nachzuliefern und die geänderte Kostenberechnung (nach§10 HOAI) auszufertigen. Sprechen Sie offen über die Vergütung und lassen sich von ihm die Rechnungen erklären. In den meisten Fällen liegt ein Missverständnis zwischen Auftraggeber und Architekten vor, dass sich schnell aufklären lässt.
Dipl.-Ing. Elisabeth Heinemann
Honorarsachverständige
info@hoai-heinemann.de
www.hoai-heinemann.de
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