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Mitzuverarbeitende Bausubstanz

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(@mitglied)
Trusted Member
Beigetreten: Vor 13 Jahren
Beiträge: 44
Themenstarter  

Werte Forumsteilnehmer,

wir haben einen Vertrag mit einen Tragwerksplaner mit folgender Standardklausel: Die anrechenbaren Kosten nach § 4 i. V. m. § 50 HOAI 2021 werden für die LPH 1-6 auf der Grundlage der sachlich richtigen, in Übereinstimmung mit den Vereinbarungen dieses Vertrages erstellten Kostenberechnung ohne Umsatzsteuer ermittelt. 

Diese haben wir ergänzt um eine speziellere Klausel: Nach der sachlich richtigen, in Übereinstimmung mit den Vertragsvereinbarungen
erstellten, Kostenberechnung der BPU wird das endgültige Honorar ermittelt.

Nun fordert der Tragwerksplaner trotz Umbauzuschlag von 20 % überraschenderweise in LPH 2 zusätzlich die Anrechnung der mvB. Davon war auch im Vergabeverfahren nie die Rede und würde sein Honorar unerwartet verteuern.

Kann er das einklagen, obwohl die HOAI ja kein Mindestsatzgebot mehr kennt?

Mit freundlichen Grüßen

 

Ihr Mitglied


   
Zitat
fdoell
(@fdoell)
Mitglied Moderator
Beigetreten: Vor 22 Jahren
Beiträge: 267
 

Die Zielsetzung und der Zweck eines Umbauzuschlags ist etwas anderes als der Ansatz der Kosten mitverarbeiteter Bausubstanz bei der Ermittlung anrechenbarer Kosten. Beide rechnerisch zu berücksichtigende Aspekte sind getrennt zu betrachten (BGH-Urteil vom 19.06.1986 – VII ZR 260/84) und seit 1986 bei der Honorarberechnung nach HOAI zu berückichtigen (das "Zwischenspiel" der HOAI 2009 mit einer Zusammenfassung dieser beiden Faktoren, das 2013 wieder aufgehoben wurde, einmal außer acht gelassen). Die Formulierung "trotz Umbauzuschlag" lässt darauf schließen, dass dieser Unterschied nicht bekannt ist. Deshalb hier in Kürze:

Die Gewährung eines Umbauzuschlags beim Bauen im Bestand berücksichtigt die Situation eines Planers, sich grundsätzlich mit einem bestehenden Objekt auseinandersetzen zu müssen und Randbedingungen der Aufgabenstellung (was darf verändert werden, was nicht) der eigenen Planung zugrunde zu legen. Dies wird vom Verordnungsgeber grundsätzlich als höherer Aufwand als derjenige bei einem Neubau angesehen. Da die Honorartabellen zur Vergütung des Aufwands bei Neubauten entwickelt wurden, berücksichtigt die HOAI diesen Mehraufwand mit dem Recheninstrument des Umbauzuschlags. Obwohl der Mehraufwand in den Leistungsphasen schwankt, wird dafür idR ein mittlerer Zuschlagsfaktor in allen Leistungsphasen berücksichtigt

Mitverarbeitete Bausubstanz ist Teil des zu planenden Objekts, der bereits vorhanden ist und deshalb nicht neu gebaut werden muss – mit anderen Worten, wäre sie nicht da, müsste sie noch gebaut werden. Was bedeutet hier aber das planende Objekt? Hierzu hat der  BGH bereits 1999 entschieden, dass die anrechenbaren Kosten durch den Vertragsgegenstand definiert und begrenzt werden. Ein solcher Vertragsgegenstand (also die Bauteile, mit denen sich ein Planer aufgrund der Aufgabenstellung befassen soll oder muss) kann, muss aber nicht das gesamte Gebäude oder Ingenieurbauwerk sein. Der Vertragsgegenstand ist aber auch nicht auf die – nach erfolgter Planung – räumlich definierten Bereiche mit konkreten Baumaßnahmen (also Rückbau von Bauteilen einerseits und Neubau von Bauteilen andererseits) begrenzt. Beim Tragwerksplaner kann sich das also auf alle Bauteile erstrecken, bei denen sich die Lastzustände aufgrund der Umbaumaßnahmen ändern und deren Standfestigkeit auch bei diesen neuen Lastzuständen nachzuweisen ist – obwohl da evtl. ein Bauteil belassen werden kann wie es ist oder evtl. verstärkt werden kann muss. Muss es komplett ersetzt werden, ruft es Herstellungskosten hervor. Muss es verstärkt werden, betreffen die Ergänzungsmaßnahmen nur einen Teil der planerisch untersuchten Tragkonstruktion. Kann es bleiben wie es ist, muss es trotzdem rechnerisch nachgewiesen werden. Wie würden aber die Aufwendungen des Tragwerksplaners vergütet, wenn nur die reinen Kosten für Baumaßnahmen die anrechenbaren Kosten bilden würden? Richtig, zu gering.  Dazu wurde das Recheninstrument der angemessenen Berücksichtigung der Kosten bereits vorhandener Bausubtanz geschaffen. 

Die zitierten "Standardformulierungen" bzw. "spezielleren Klauseln" scheinen nur den Inhalt der HOAI selbst – wenn auch mit leicht anderen Worten – wiederzugeben, wobei Kostenberechnungen immer sachlich richtig sein müssen und anrechenbare Kosten aus Nettobeträgen ohne Umsatzsteueer ermittelt werden. Welche Vereinbarungen des Vertrags Einfluss auf die Kostenberechnung haben könnten, ist nicht weiter ausgeführt. Der Verweis auf BPU = Bauplanungsunterlagen verallgemeinert diesen Ansatz eher als dass er ihn spezifiziert, denn BPU können ja dem Wortlaut nach alles mögliche und nicht nur einen Entwurf mit Kostenberechnung beinhalten.

Wenn in dem Vertrag Rechenregeln der HOAI vereinbart sind oder auch nur allgemein auf die HOAI verweisen wird, dürfte der Ansatz der Kosten mitverarbeiteter Bausubtanz für alle planerisch betrachteten (!) Bauteile bei der Tragwerksplanung korrekt sein.

Was Sie als "angedachte" Lösung des Auftraggabers möglicherweise ansehen, wäre eine vertragliche Regelung à la "Die Kosten mitverarbeiteter Bausubstanz werden mit 0,- € vereinbart". Das wäre nicht ganz HOAI-konform, denn was mitverarbeitet werden kann oder muss, ergibt sich ja erst nach der Entwurfsplanung. Deshalb sind sie auch erst zum Zeitpunkt der Kostenberechnung objektbezogen zu ermitteln und sodann zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zu vereinbaren (§ 4 Abs. 3 HOAI). Vereinbarung heißt aber nicht, dass eine Seite verlangen kann, dass die Vereinbarung auf "0,- €" lautet, da müssten schon beide Seiten zustimmen. Das AHO-Heft 1 bietet aber schöne Rechenbeispiele dafür. 

Diese r Beitrag wurde geändert Vor 1 Woche von fdoell

Mit herzlichen Grüßen
Friedhelm Doell
ö.b.v. HOAI-Sachverständiger
doell@doellconsult.de


   
AntwortZitat
(@mitglied)
Trusted Member
Beigetreten: Vor 13 Jahren
Beiträge: 44
Themenstarter  

Vielen Dank Herr Doell, für die ausführliche Antwort.


   
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